Spiritueller Yoga als Weg nach Innen - der mystische Aspekt

 

 

Yoga - Einheit, Joch, Verbindung, ... , mit vielen Begriffen wird Yoga übersetzt. In vielen Büchern wird Yoga erläutert. Und wenn es sich um authentischen Yoga handelt, bezieht er sich immer auf die alten Meister - rishis, gurus, siddhas, Weise aus Indien und dem otsasiatischen Raum.

 

Nach einem Weg über mehr als 2.000 Jahre wurde der Yoga um die Wende vom 19. ins 20. Jhd. neu belebt. Es ist fatal zu glauben, Yoga, wie wir ihn im Westen verstehen, sei eine breite Bewegung in Indien gewesen. Zum einen wurde er von Meistern gelehrt und an Schüler weitergegeben, häufig im Wald, wie eine Gruppe alter Schriften bezeugt (aranykas - Waldschriften, weil sie im Wald, im Rückzug von der Welt, aber auch im Geheimen zum Schutz gelehrt wurden).

Vor etwas mehr als hundert Jahren machten sich die ersten Meister auf in den Westen, nachdem sie wie die gehobene indische Gesellschaft auch, den Wert der eigenen Kultur in Abgrenzung zu der beherrschenden englischen Besatzung neu entdeckten und wiederbelebten. Der Yoga fand aber eine neue Form beispielsweise durch Sri Aurobindo und Swami Sivananda, die die unterschiedlichen Yoga-Wege zusammenführten zu einem integralen Yoga oder Yoga der Synthese. Wurden bis dahin die verschiedenen Wege ausgegrenzt bzw. gegenseitig bekämpft, wurde jetzt der Wert aller Richtungen erkannt und je nach Bedürfnis gleichzeitig geübt. 

Wer einmal mit diesem Grundgedanken die Schriften studiert, wird schnell feststellen, dass die alten Meister immer auch alle Wege gesehen haben, aber vielleicht einen Weg bevorzugt haben. Das gilt auch für die bekannteste Quelle des Yoga, die Yoga-Sutras des Patanjali.

 

Wichtig für das Verständnis von Yoga ist, dass Yoga nicht mit Hinduismus gleichzusetzen ist. Wohl beziehen sich beide auf die gleichen Quellen, aber Yoga bedeutet die Suche nach der letzten Wahrheit und den Übungsweg dorthin. So ist er eher zu verstehen als mystischer Weg im hinduistischen Umfeld. Gleichermaßen gibt es in allen Weltreligionen diese mystische Form der Suche, die ohne Dogmatisierung der Religion bzw. der kirchlichen Strukturen die letzte Wirklichkeit oder vielmehr die Realität erfahren will. Da sind die Christliche Mystik mit Meister Eckhard, der Sufismus mit Mevlana Rumi oder der Chassidismus mit Rabbi Israel ben Elieser, die oft verfolgt von den etablierten dogmatischen Führern der Religionen versuchten, auf den Grund zu kommen, was nichts anderes bedeutet, die Wirklichkeit zu erkennen. Alle kommen dabei letztlich zu der Erkenntis, dass das, was Menschen für Realität halten, nur Illusion ist, Maya. Die Wirklichkeit ist etwas, was wir mit unserem beschränkten, verschleierten Verstand nicht erfassen können. Erst Innere Schau ermöglicht die Sicht auf die letzte Wirklichkeit. Und die kann dann nicht mehr ausgedrückt werden. Denn dann wäre sie schon wieder nicht alles umfassend.

 

Dabei geht es nicht um Weltabgewandheit, wie die Geschichte der Mystik und die Zurückgezogenheit der Meister vermuten lassen könnte. Innerlichkeit und Suche finden nicht im Außen statt, sondern im Einzelnen selbst. Das aber geschieht, vor allem mit heutigem Verständnis, im Leben. Nicht klösterliches Leben ist angesagt, sondern die Verwirklichung einer yogischen Lebenswesie in der Alltagswelt. Also die Umsetzung ethischer Regeln, wie sie alle Traditionen lehren, im täglichen Umgang mit den Mitmenschen, der Natur, den Tieren, der gesamten Mitwelt.

Patanjali drückt das in Kap- II, Vers 1 aus:  "Askese, eigenes Studium (der heiligen Schriften) und Hingabe an Gott machen den Yoga der Tat aus".

Dabei meint der verwendete Begriff Kriya-Yoga einen Yoga der Tat, des Handelns im täglichen Leben. Das macht das Leben zur Yoga-Praxis und die Yoga-Philosophie zur Grundlage des Handelns.

 

In diesem Verständnis steht Yoga über den Religionen, ist für sich nicht gebunden und kann von jedem geübt werden, gleich welcher Religion er angehört. Vielmehr unterstützen körperliche, geistige Übung, insbesondere die Meditation jeden bei der Suche nach dem tiefsten Grund oder dem Höchsten, wie auch immer er das nennt: Gott, Leerheit, Höheres Selbst ...

 

Aufgenommen wurde u.a. dieses Fundament in neueren modernen Denk- und Philosophiesystemen. Hier möchte ich besonders die transpersonale Psychologie und die integrale Theorie nennen. Ohne diese neue Sicht lässt sich Yoga meines Erachtens nicht im Westen verwirklichen.

Das Studium der Schriften zeigt, dass die Denkweisen der östlichen und der westlichen Hemisphären jede für sich ihre Berechtigung haben:

- Westliche Denkweise hat mit dem wissenschaftlichen Denken, das sich nach Descartes entwickelt hat und von integralen Denkern wie Ken Wilber und Don Beck (Spiral Dynamiks) mit dem orangenen Mem bezeichnet wird, den technologischen Fortschrirtt und Wohlstand hervorgebracht.

- Östliche Denkweise hat mehr den Blick nach Innen gewandt und den Menschen bei seiner Suche nach dem eigenen Wesen, nach dem Göttlichen im Menschen selbst, unterstützt. In  diesem Denken lässt sich auch die Wertschätzung der gesamten Schöpfung sehen im Gegensatz zu der häufig anzutreffenden (und in der wirklichen Bedeutung sicher falschen) Aufforderung, sich die Welt untertan zu machen. 

 

Es ist müßig, zu überlegen, welcher Denkrichtung der Vorzug zu geben ist. Erst wenn beide zu einem integralen Denken vereint werden, lässt sich eine neue Basis für alle Menschen finden, auf der die Bewahrung der Lebensgrundlagen gelingen kann. Das gilt besonders für die im Westen lebenden Menschen, denen durch die ausufernde Individualisierung und ICH-Überhöhung in Folge zweier Weltkriege, aber auch der Entwicklung des menschlichen Bewusstseins, wie sie sich in der 68er-Bewegung und der Boomeritis zeigt, die kulturelle Matrix verloren gegangen ist. Gemeint ist ein Weltbild, auf das ich mich auch ohne bewusste Reflexion verlassen und stützen kann. Das gilt es wiederzugewinnen. 

 

Die Geschichte des Yoga und weitergehende Gedanken, wie Yoga heute gelebt werden kann, kannst du auf den weiteren Seiten lesen.

 

Literatur:

 

Patanjali, Yoga-Sutras; zB.

 

Geshe Michael Roach, Christie Mc Nally, Guido Roggatz und Ulrike Kraemer: Die Essenz des Yoga nach Patanjali. Zeitlose Weisheit als Weg zum erfüllten Leben Via-Nova-Verlag, Petersberg 2006)

 

Sukadev V. Bretz: Die Yogaweisheit des Patañjali für Menschen von heute, Via-Nova-Verlag, Petersberg 2008

 

T. K. V. Desikachar: Yoga - Tradition und Erfahrung. Die Praxis des Yoga nach dem Yoga Sutra des Patanjali. Via-Nova-Verlag, Petersberg 2005

 

Patanjali/P. Y. Deshpande/B. Bäumer: Die Wurzeln des Yoga, Otto Wilhelm Barth Verlag, 1976 

  

Eckard Wolz-Gottwald: Yoga-Philosophie-Atlas. Via-Nova-Verlag, Petersberg 2006

Der „Yoga-Philosophie-Atlas“ ist eine Enzyklopädie der Yoga-Philosophie. Er besteht aus Texten zu allen zentralen Themen der Yoga-Philosophie, die mit ca. 350 Grafiken als Landkarten der Yoga-Wege verbunden sind.

 

Mark Whitwell: Herz-Yoga - Die heilende Kraft inniger Verbindung. Via-Nova-Verlag, Petersberg 2010

„Der höchste Ort yogischer Bewusstheit ist das Herz, nicht der Kopf.“ Und im Herzen sind wir alle schon erleuchtet, meint Mark Whitwell, amerikanisch-neuseeländischer Yoga-Meister.

 

Wilber, Ken: „Eros Kosmos Logos. Eine Jahrtausend-Vision.“, Fischer, Frankfurt 1996